Zwischen Kabelsalat und Prüfungsstress – wie die Gesellenprüfung abläuft
08.09.2025Die Gesellenprüfung im Elektrohandwerk ist für viele Auszubildende ein Moment, an den sie sich ein Leben lang erinnern werden. Nach mehreren Jahren intensiver Ausbildung, in denen sie sowohl in der Berufsschule als auch im Betrieb unzählige Erfahrungen gesammelt haben, kommt es zu diesem entscheidenden Abschluss. Die Nervosität ist groß, denn es geht nicht nur darum, Aufgaben korrekt zu lösen, sondern auch zu zeigen, dass man das erworbene Wissen in der Praxis sicher anwenden kann. Viele Azubis beginnen schon Monate vorher mit der Vorbereitung: Sie wiederholen alte Prüfungsaufgaben, frischen ihr theoretisches Wissen auf und üben in der Werkstatt oder auf der Baustelle typische Arbeitsschritte. Man spürt, wie sehr sich Theorie und Praxis durchdringen, denn nur wer beide Bereiche beherrscht, wird am Ende bestehen. Dabei ist es nicht nur das Fachwissen, das zählt, sondern auch die Fähigkeit, unter Druck ruhig zu bleiben und seine Arbeit konzentriert auszuführen. In den Gesprächen mit älteren Gesellen oder Ausbildern zeigt sich oft, dass die Prüfungszeit für alle eine prägende Erinnerung ist – ein Abschnitt, der das berufliche Selbstbewusstsein entscheidend formt.
Der theoretische Teil der Gesellenprüfung ist anspruchsvoll und verlangt ein breites Wissen aus allen Bereichen der Elektrotechnik. Hier geht es um grundlegende physikalische Zusammenhänge, um das Verständnis von Stromkreisen, aber auch um konkrete Normen und Vorschriften, die im Berufsalltag den sicheren Umgang mit elektrischen Anlagen gewährleisten. Viele Azubis empfinden diesen Teil als besonders herausfordernd, weil er abstrakter wirkt als die praktische Arbeit mit Werkzeugen und Materialien. Doch gerade hier zeigt sich, ob man die Zusammenhänge wirklich verstanden hat: Warum ist eine bestimmte Sicherung notwendig? Weshalb darf ein Kabelquerschnitt nicht zu klein gewählt werden? Und welche Vorschriften greifen, wenn man eine Photovoltaikanlage anschließt oder eine Wallbox installiert? Wer die Theorie beherrscht, beweist damit, dass er nicht nur im Alltag funktioniert, sondern auch in der Lage ist, neue und komplexe Aufgaben zu verstehen. Schließlich entwickelt sich das Elektrohandwerk ständig weiter, und ohne solides Fundament in der Theorie lässt sich die Praxis langfristig nicht erfolgreich meistern.
Im praktischen Teil zeigt sich, ob die erlernten Fähigkeiten wirklich sitzen. Hier stehen den Prüflingen meist vorbereitete Stationen zur Verfügung, an denen sie eine Installation aufbauen, messen und dokumentieren müssen. Es geht um Steckdosen, Schalter, Beleuchtungssysteme, aber auch um kleine Steuerungen oder fehlerhafte Schaltungen, die erkannt und behoben werden müssen. Der Druck ist enorm, denn die Zeit ist knapp und die Aufgaben sind bewusst so gestellt, dass man sorgfältig und gleichzeitig effizient arbeiten muss. Viele Azubis erzählen, dass nicht die Schwierigkeit der Aufgaben selbst das Problem ist, sondern die Nervosität, die zu kleinen Unachtsamkeiten führt. Ein Kabel nicht beschriftet, eine Klemme nicht richtig angezogen, ein Messprotokoll unvollständig – solche Kleinigkeiten können Punkte kosten. Umso wichtiger ist es, während der Ausbildung nicht nur zu lernen, wie man etwas technisch korrekt macht, sondern auch eine gewisse Routine in Ordnung, Sauberkeit und Dokumentation zu entwickeln. Denn genau diese Gewohnheiten helfen in der Prüfung, den Überblick zu behalten und Fehler zu vermeiden.
Wenn die Prüfung schließlich vorbei ist, fällt den meisten ein riesiger Stein vom Herzen. Der Moment, in dem man das Ergebnis erfährt und vielleicht sogar das Prüfungszeugnis in der Hand hält, ist für viele ein unvergesslicher Augenblick. Man ist nun nicht mehr Azubi, sondern Geselle – ein Facharbeiter mit Verantwortung, Teil des Teams auf Augenhöhe. Oft ist dies auch der Zeitpunkt, an dem viele erstmals darüber nachdenken, wie es weitergehen soll: Bleibe ich im Betrieb, in dem ich gelernt habe, oder wage ich den Schritt in ein anderes Unternehmen? Möchte ich irgendwann selbst Meister werden oder vielleicht sogar ein Studium anschließen? Die Gesellenprüfung ist daher nicht nur ein Abschluss, sondern auch ein Aufbruch. Sie markiert den Übergang vom Lernen zum selbstständigen Arbeiten und öffnet Türen in viele verschiedene Richtungen. Und egal, welchen Weg man danach einschlägt: Die Erinnerung an diese intensive Zeit, an die Aufregung, den Prüfungsstress und am Ende die Erleichterung, bleibt für immer ein Teil der eigenen Berufsgeschichte – ein Stück Identität, das man mit allen teilt, die denselben Weg gegangen sind.