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Wie man Strom „fühlt“ – Lernen mit allen Sinnen

18.10.2025

In der Ausbildung zum Elektroniker geht es nicht nur um Technik, Pläne und Prüfungen. Es geht um ein Gefühl – im wahrsten Sinne des Wortes. Strom sieht man nicht, man hört ihn nicht, und trotzdem ist er ständig da. Azubis müssen lernen, ihn zu begreifen, ohne ihn zu spüren. Das klingt paradox, ist aber genau das, was die Ausbildung so besonders macht. Denn wer mit Elektrizität arbeitet, lernt, aufmerksam zu sein, zu beobachten, zu messen, zu prüfen – und seinem eigenen Gespür zu vertrauen. Viele Auszubildende sagen später, dass sie irgendwann einen „Riecher“ für Strom entwickeln, eine Intuition dafür, wann etwas stimmt und wann nicht. Diese Erfahrung entsteht durch Praxis, durch Wiederholung, durch Fehler und durch das genaue Hinschauen, wo andere längst weitergehen würden.

In der Berufsschule werden die Grundlagen gelegt, aber das echte Verständnis wächst auf der Baustelle. Wenn man sieht, wie Leitungen verlaufen, wie Schaltkreise aufgebaut werden, wie Stromkreise aufeinander reagieren – dann wird aus Theorie etwas Greifbares. Das Lernen im Elektrohandwerk ist kein reines Auswendiglernen, sondern ein Prozess des Verstehens. Es geht darum, wie Materialien sich verhalten, wie Spannung sich verteilt und wie Sicherheit entsteht. Die Ausbilder bringen ihren Azubis nicht nur Wissen bei, sondern auch Respekt vor der unsichtbaren Kraft, mit der sie täglich umgehen.

Mit der Zeit entsteht ein tiefes Bewusstsein für Zusammenhänge. Wer Strom „fühlen“ lernt, versteht, dass Präzision Leben schützt, dass jeder Handgriff zählt und dass Verantwortung kein abstrakter Begriff ist. Dieses Bewusstsein ist ein zentraler Bestandteil der handwerklichen Identität – es trennt den bloßen Techniker vom echten Fachmann. In einer Zeit, in der vieles automatisiert wird, bleibt genau dieses Gespür ein unverzichtbarer Wert.

So ist das Lernen im Elektrohandwerk mehr als die Aneignung von Wissen. Es ist eine Schulung der Sinne, des Verstandes und der Haltung. Strom zu „fühlen“ bedeutet, ihn zu respektieren – und die Verantwortung zu begreifen, die in jedem Schalter, jeder Leitung und jeder Steckdose steckt.